Ragazzi
2001 . :
Der Solaris-Keyboarder Róbert Erdész nennt das Album im Untertitel "hungarian world music". Róbert hat ein gutes Händchen dafür, europäische/russische/vorderasiatische Folklore zu arrangieren. Das gelingt ihm zumeist ohne allzu große Dummheiten zu begehen: er reitet nicht auf Clichés herum, oder versucht, mit seinem Arrangement belehrend zu wirken. Nein, seine Songs sind mitreissend und von angenehmem Liebreiz. Doch es gibt auch des Guten zu viel. Einige Melodien tropfen nur so vor Kitsch, Schönklang legt seine lähmenden Finger auf Arrangement und Ausdruck. Der leidige Dance Floor hat hier und da Einzug gehalten. Gregorianische Chöre jubilieren in den tiefsten Tönen, eine elektrische Gitarre säbelt ein Solo darüber, eine wunderschöne, fast orientalische Frauenstimme lautiert - und der Rhythmuscomputer zerteilt das Arrangement in lauter kleine Stückchen. Zum Glück hat Róbert Erdész einen Sinn für die Grenze, so wird sein "Melodieklau" immer kurz vor dem großen Übel einen Schritt zurückgefahren. Doch folkloristische Grenzen kennt seine Vorstellung nicht. Da treffen sich irische und griechische Folklore in einem "Meeting" und plötzlich lebt etwas ganz Neues auf, mitreissend Neues mit viel Gefühl voll musikalischer Kraft. "Meeting Point" will sich als Treffen urbaner Musik verstehen, als Verzahnung unterschiedlicher Stile. In einem Interview mit den Ungarn After Crying wurde mir verraten, dass Ungarn eingentlich keine eigene Folklore habe, dass die ungarische Folklore aus allen möglichen Stilen, geprägt von verschiedenen Völkern und musikalischen Vorstellungen sei. Róbert Erdész und "Meeting Point" - das ist ungarische Folklore und worldmusic zugleich.
Volkmar Mantei
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